Agile Netzwerke statt institutionalisierte Kompetenzzentren

Autor*innen

  • Marja-Liisa Völlers
  • Laura Eder
  • Andreia Barz
  • Elisabeth Scherer
  • Ines Bieler
  • Julia Kleeberger
  • Mandy Schütze
  • Patric Matzke
  • Ronny Röwert
  • Sylke Hofmann
  • Sylvia Gossani

Moderation

Marie-Luise Guhl, Bernd Fiedler

Das Vorhaben in einem Satz

Die von der Bundesregierung geplanten Bildungskompetenzzentren (“Kompetenzzentren für digitales und digital unterstütztes Unterrichten“) sollten als Communities of Practice verstanden werden, die in erster Linie bestehende Akteur:innen regional und überregional vernetzen. Der organisatorische Rahmen wird von den Kultusministerien und in Zusammenarbeit mit dem Bund gestellt.

Ausgangslage und Vision

Ausgangslage der Arbeitsgruppe war das von der SPD eingebrachte Konzept von Bildungskompetenzzentren. Dieses wurden mit Expert:innen vertieft und Handlungsempfehlungen herausgearbeitet.

Mit den von der Bundesregierung und den Ländern geplanten Bildungskompetenzzentren sollen wissenschaftliche und praktisch methodisch-didaktische Kompetenzen im Bereich der Lehrkräftebildung vernetzt werden. Ziel sei es, Schulen gebündeltes Wissen zur Verfügung zu stellen. Die stärkere Vernetzung von Theorie und Praxis steht also im Mittelpunkt. Lehrerinnen und Lehrer sollen durch die Bildungskompetenzzentren forschungsbasiert und wissenschaftlich fundiert ihre didaktischen Kompetenzen – auch in Bezug auf digitales und digital gestütztes Unterrichten – stärken können, so die Bundesregierung. Hierbei sei es notwendig, die Arbeiten von Hochschulen der Lehrkräfteausbildung, von einschlägig tätigen Forschungsinstituten und von Lehrkräftefortbildungseinrichtungen (Landesinstitute) miteinander zu verzahnen und Möglichkeiten des Austauschs zu schaffen. Jedes Land soll je ein eigenes Kompetenzzentrum für digitales und digital gestütztes Unterrichten einrichten. Zudem solle eine bundesweite Koordinierungs- und Transferstelle, mit der Aufgabe der Ergebnisbündelung von Forschungsprogrammen, errichtet werden.

Die Arbeitsgruppe begrüßt die Initiative der Bundesregierung, spricht sich in ihrer Empfehlung jedoch für eine agile, veränderbare Struktur der Kompetenzzentren aus, die insbesondere auch Akteur:innen dritter Orte involviert. Die agile Struktur sorgt dafür, je nach inhaltlichen Schwerpunkten, fachlich wie institutionell und personell anpassbar zu bleiben, um damit flexibel auf sich stetig verändernde Bedarfe der Bildungslandschaft reagieren zu können.

Das Vorhaben konkret

Im Kern steht die Forderung, dass die geplanten Kompetenzzentren die Form von agilen Netzwerken, die miteinander vernetzt sind, annehmen sollten. Sie sollen jeweils von einer Koordinierungsstelle betreut werden, die an die jeweiligen Kultusministerien angegliedert ist. So sollen existierende Wissenssilos aufgebrochen, die Bildung neuer verhindert und der Transfer innerhalb des Netzwerkes und darüber hinaus gewährleistet werden.

Jedes Netzwerk verbindet und bündelt fachlich involvierte Akteur:innen verschiedener Institutionen regionaler Communities of Practice, die auf der operativen Ebene in den Austausch kommen. Dabei geht es um praxisbezogene Gemeinschaften von Personen, die ähnlichen Aufgaben gegenüberstehen und voneinander lernen wollen.

Über die Verschränkung von fachspezifischen Arbeitsgemeinschaften und übergreifenden, offenen Austauschformaten entsteht ein transdisziplinäres Arbeitsumfeld, welches die Akteur:innen in ihre spezifische Beschäftigung integrieren. Dafür muss den Beschäftigten der entsprechende Freiraum ermöglicht werden. So ist beispielsweise eine Bildungswissenschaftlerin an einer Universität angestellt und nutzt ihre Arbeitszeit im Rahmen eines Stipendiums gleichzeitig für das Bildungskompetenzzentrum. Dort arbeitet sie regelmäßig mit anderen Forschenden, Beschäftigten in Landesämtern, Schulen, Bibliotheken, Offenen Werkstätten und weiteren Institutionen zusammen, tauscht Ergebnisse mit Vertreter:innen eines benachbarten Bildungskompetenzzentrums aus und transferiert diese entsprechend.

Mit diesen Netzwerken werden offene Arbeitsräume geschaffen. Diese stehen institutionalisierten Zentren gegenüber, die – beispielsweise an Universitäten angegliedert – dazu neigen, aufgrund starrer Zuständigkeiten und formalisierter Strukturen, begrenzte Wirkung zu entfalten.

Beispiele

Vergleichbare Strukturen sind noch nicht etabliert. Jedoch existieren Programme und Formate, die einen solchen Austausch und Transfer auf anderen Ebenen erproben. Beispiele sind das Forum Bildung Digitalisierung und das Hochschulforum Digitalisierung, beide verfügen über agile Arbeitsformen und agieren über- sowie regional vernetzt. Das Forum Open Education reiht sich hier ebenfalls ein: Abgeordnete und Praktiker:innen aus verschiedenen Bereichen arbeiten problembasiert zusammen, indem sie sich in regelmäßigen Calls austauschen. Bei Bedarf werden weitere Expert:innen eingeladen. Durch kurze Arbeitsphasen entstehen gemeinsam erarbeitete Lösungen. Der Rahmen wird durch ein Kernteam strukturiert, bedarfsgerecht angepasst und moderativ begleitet. Während der Zusammenarbeit steht der Austausch der verschiedenen Praxisperspektiven im Mittelpunkt. So wird das gemeinsame Lernen gefördert und Wissen geteilt.

Potenziale und Hürden

Der Ansatz von agilen Netzwerken denkt nicht in Strukturen, sondern in Synergien. So können Eintrittshürden und Bürokratisierung verringert werden, indem sie von Beginn an offen angelegt sind und bestehende institutionelle Kontexte nutzen. Gleichzeitig entstehen daraus auch neue Hürden, da solche Ansätze bisher nur punktuell erprobt wurden. Die Teilnehmenden kehren immer wieder in ihre jeweilige Institution zurück, wo sie in der Regel auf formalisierte Abläufe und unflexible Strukturen stoßen. Bei allem Gestaltungswillen von Beteiligten sind Übersetzungsprobleme erwartbar, die die Wirkung der Kompetenzzentren mindern, wenn sie nicht offen gedacht werden.

Aufruf / Forderung

Bund und Länder müssen dafür Sorge tragen, dass die Bildungskompetenzzentren ihrer Aufgabe gerecht werden, Wissen zu bündeln, bereitzustellen und den Transfer zwischen Praxis und Theorie gelingen zu lassen. Starre Strukturen dürfen nicht Teil der Lösung sein.

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